Vom ausgehenden
9. Jahrhundert bis ins 10. Jahrhundert hatte das Land zunächst unter den
Überfällen der Normannen und danach unter den Raubzügen der Awaren und
Magyaren aus dem Osten zu leiden. Die Normannen kamen mit ihren
schnellen Booten flussaufwärts und überfielen die Siedlungen und Städte.
Auch Koblenz wurde damals arg mitgenommen. Doch der römisch ummauerte
Hofbezirk hielt den Angriffen stand und wurde nicht erobert. Die Orte
außerhalb, wie z.B. Moselweiß, wurden von den Normannen jedoch total
zerstört. Später baute man sie besser gesichert, in der Nähe wieder auf.
Die Kirche St. Kastor und das Kloster auf dem Berg mussten damals gewiss
erhebliche Zerstörungen und Plünderungen über sich ergehen lassen.
Die Ungarn oder
Magyaren, wie sie sich nannten, kamen am Anfang des 10. Jahrhunderts wie
Hornissenschwärme über das Land. In kleinen Abteilungen mit ihren
schnellen Pferden und dem hörnernen Bogen, mit dem man Pfeile erheblich
weiter schießen konnte wie herkömmlich, waren sie sehr beweglich und
gefährlich. Die Orte an den Straßen, ursprünglich günstig gelegen,
waren nun ungeschützt vor Plünderung und Zerstörung, der Willkür dieser
wilden Angreifer ausgesetzt. Bis Koblenz sollen sie von Süden über den
Hunsrück vorgedrungen sein und wieder wurde das Kloster auf dem Berg
vermutlich ein Raub der Zerstörungswut. Der alte Name Hunnenkopf für den
Bereich um das heutige Löwentor, könnte sich aus jener Zeit erhalten
haben. Weil die Überfälle der Ungarn so fürchterlich waren und ihr
Äußeres den Vorstellungen von den Hunnen entsprach, glaubte man damals
allgemein die Hunnen seien erneut vom Osten in das Land eingedrungen.
Nachdem Heinrich der
Vogler König wurde, reformierte er das Militär und errichtete im Land
ein Netz von Verteidigungswerken. Das Reich musste währenddessen hohe
Summen aufwenden, damit die Ungarn von weiteren Überfällen absahen. Sein
Nachfolger Otto I. verweigerte bald schon die Tributzahlungen und
stellte sich mit dem neu organisierten Heer dem Feind auf dem Lechfeld
bei Augsburg. Für den Fall einer Niederlage war das Netz der
Verteidigungsanlagen auch in Lotharingen mit ausgebildeten Bauerkriegern
besetzt. Sie hatten die Aufgabe, eine weitergehende Verteidigung zu
organisieren. Der Hunsrück war damals durch drei Verteidigungsriegel mithilfe der Seitentäler zwischen Rhein und Mosel befestigt. Ein
Bestandteil waren die Motten (Sumpfburgen) von Laudert, Dudenroth, Horn,
Braunshonrn, Frankweiler usw., deren Reste zum Teil noch heute zu sehen
sind. Vor dem Neuwieder Becken war, wie schon in römischer Zeit, die
enge Stelle zwischen Boppard und Alken auf der Höhe bei Pfaffenheck
(früher Vatershausen) durch den so genannten Landgraben zwischen dem
Mühltal von Boppard und den Tälern von Brodenbach und Alken befestigt.
Der Landgraben wird in alten Schriften auch als Ungerer - Graben (Ungarn-Graben) bezeichnet.
Zur Verteidigung der
Koblenzer befestigte man eine Linie von Moselweiß über den Burgweg und
auf der Höhe von dem alten Werk (der Schwedenschanze) am Brückbach
entlang bis zur Bachbrücke der Höhenstraße, dann weiter durch das Tal
bis zur Laubachbrücke der Uferstrasse am Rhein. Damals wurden in
Moselweiß scheinbar erstmals Wäpelinge angesiedelt und als ausgebildete
Bauernkrieger sollten sie die Verteidigung organisieren. Wie wir heute
wissen, hatte Otto der Große 955 die Ungarn auf dem Lechfeld vernichtend
geschlagen und als die Gefahr vorüber war, verfielen die
Befestigungsanlagen. Der Tag des Sieges über die Ungarn war dem hl.
Laurentius geweiht und es mag nicht verwundern, dass Orte, die besonders
an den Verteidigungslasten trugen, nach dem Sieg aus Dankbarkeit ihre
Kirchen dem hl. Laurentius weihten.
Unruhige Zeiten im Koblenzer Raum
Während der
Ottonischen Zeit war es überwiegend friedlich im Lande. Doch nach dem
Tode Otto II. begann ein heftiger Streit um die Nachfolge. Otto III. war
noch ein Kind und aus Bayern meldete Graf Heinrich seinen Anspruch auf
die Nachfolge an. Heinrich war mit dem Zusatz der Zänker bekannt, er
mobilisierte seine Anhänger und versuchte durch regionale Unruhen seinem
Anspruch Nachdruck zu verleihen. Zugleich führte der konfliktreiche
Übergang vom karolingischen zum kapetingischen Königtum in Frankreich
zu Unruhen. Dennoch wurde Otto III. durch seine Mutter Theophanu und den
Vertrauten als König und Kaiser durchgesetzt.
Auch am Mittelrhein
gab es zwischen den Interessengruppen gewaltsame Auseinander- setzungen,
wobei dem jeweils Schwächeren das Hab und Gut entwendet wurde. Der
Bericht des Jocundus, ein Geschichtsschreiber des 11. Jahrhunderts, über
die gewaltsame Enteignung des Maastrichter Besitzes in Güls, muss, wie
Brower und Masen in der Metropolis berichten, in diesem Zusammenhang
gesehen werden. Viele im Koblenzer Raum wurden damals gewaltsam von
ihrem Besitz getrennt. Und es ist verständlich, dass die Umstände zur
Wiedererlangung des Maastrichter Eigentums für die Bürger ein Wunder war
und der hl. Servatius danach, als Wundertäter besonders verehrt wurde.
Hier der gekürzte
Bericht des Jocundus :
Es heißt in Güls habe ein mächtiger Nachbar (ein Adelsherr) sich das
Erbgut des h.Servatius, dass dieser seinem Stift zu Maastricht
hinterlassen hatte, eigenmächtig einverleibt und die Offizianten des Stiftes
vertrieben. Trotz vieler Verhandlungen änderte sich die starre Haltung
des frechen Räubers nicht. Die Stiftsherren in Maastricht beschlossen
letzten Endes ihren heiligen Patron seine Sache in Person führen zu lassen.
Die Nodkist, der so genannte Reliquienschrein, setzten sie auf einen
Karren und die andächtige Karawane bewegte sich unermüdlich im Gebet und
von Unfällen verschont, dem Rhein und der Mosel zu, dem Ort des Zwistes.
Der Kirchendieb zechte derweil mit seinen Gesellen nächtelang und machte
sich über die betende Gesellschaft und deren toten Patron lustig. Doch
der Herr schickte einen Engel aus und strafte die ganze Bande der
Zecher, auf dass sie nach kurzer Zeit zu Tode kamen. Ohne Schwierigkeiten
nahmen die Chorherren daraufhin von ihrem Eigentum wieder Besitz.
In Koblenz wurde das
Ereignis in seiner wunderbaren Bedeutung nachempfunden und gefeiert. Es
kam der Wunsch auf für einige Augenblicke des Wundertäters Gebeine zu
verehren. Die Chorherren in Güls entsprachen dem Wunsch und mit einer
Fähre überquerten sie die Mosel nach Moselweiß, denn der Zervaspfad auf
welchem der h.Servatius lebend so häufig, trockenen Fußes, von einem zum
anderen Moselufer gelangt war, schien allen doch etwas bedenklich. Im
Rauental strömte die ganze Bevölkerung von Koblenz dem Zug
entgegen und vereinigt erreichten sie den Fuß des Marterberges. Der
Jubel steigerte sich, als frank und frei, der Schrein mit den Gebeinen
vom Karren sich erhob und durch dreimaliges Verbeugen der, durch die
Blutzeugen geheiligten Stätte seine Ehrfurcht bezeigte.
Die
Moselfehde mit den Lützelburgern
Im Jahre 1006, bei der Neubesetzung des Trierer
Bischofstuhles, versuchten die Lützelburger Grafen ihren Kandidaten
Adalbero durchzusetzen. Damit begann eine Entwicklung, die für Koblenz
bis in die Neuzeit richtungweisend werden sollte. Denn Kaiser Heinrich
II., seit 1002 der Nachfolger von Otto III., hatte schon einen eigenen
Kandidaten bestimmt, den Eb. Megingaud, der auch vom Papst bestätigt
wurde. Die Lützelburger bestanden jedoch auf ihren Kandidaten und
besetzten kurzer Hand den Trierer Bischofssitz gewaltsam. Trotz
militärischer Belagerung war Heinrich II. nicht in der Lage den Trierer
Dombereich Zurückzugewinnen.
Deshalb residierte Eb.
Megingaud sieben Jahre lang im Koblenzer Königshof, den ihm
Heinrich zu Verfügung stellte. Während der Lützelburger Besatzungszeit,
auch als Moselfehde bezeichnet, wurden u.a. die bischofstreuen
Profeßmönche aus der Benediktiner Abtei Maria am Ufer vertrieben (
Ferdinand Pauly "Aus der Geschichte des Bistums Trier, - Die
Bischöfe" 1969, S. 63 ). Das
Kloster nutzten die Besatzer danach als Kollegiatstift. Es liegt nahe, dass die
Mönche dem Bischof nach Koblenz folgten und in dem Kloster St.Marien auf
dem Berge Unterkunft fanden, zumal sie mit diesem verbunden waren. Auch
ihre umfangreiche Reliquiensammlung werden sie vermutlich hier in
Sicherheit gebracht haben. Erst nach dem Tode des Erzbischofs, er
verstarb am 24.12.1015 in Koblenz, kam es zu einer Einigung mit den
Lützelburgern und der Nachfolger Eb. Poppo von Babenberg konnte 1017
nach Trier zurückkehren.
Als Eb. Poppo v.
Babenberg den Trierer Bischofssitz wieder innehatte, renovierte er mit
als erstes das Kloster Maria am Ufer und schon Ende 1017 konnten die
Mönche es wieder in Besitz nehmen. Die Dankbarkeit des Bischofs und
seiner Mönche für die Aufnahme und die lange Zeit des Exils in Koblenz
kann nicht ohne Folgen für das Kloster St. Marien auf dem Berge
geblieben sein. Als Benediktiner Abtei hat sie damals wahrscheinlich die
Selbstständigkeit erhalten und ein Großteil der mitgebrachten Reliquien
werden die Trierer den Mönchen dabei überlassen haben.
Nur ein Jahr später, im Jahre 1018, entschied
sich Heinrich II. , ein Weggefährte Poppos aus Bayern, zur Übergabe des
Fiskus Koblenz an den Trierer Erzbischof. Heinrich wollte
anscheinend das Trierer Land vom Rhein her stärken damit sich
Auseinandersetzungen wie mit den Luxemburgern nicht mehr wiederholen. Die
Übertragung wird als Schenkungsurkunde bezeichnet und umfasste den
fiskalischen Besitz . Die Verwaltung
oblag den beiden Kolegiatstiften und hier besonders dem Kastorstift.
Das Florinsstift verwaltete damals vorwiegend
linksrheinische Gebiete. Es war als Marienstift mithilfe des Adels ca. 936
gegründet und entstand vielleicht aus dem früheren Kollegiat an der
Liebfrauenkirche (zumal der Name darauf schließen lassen könnte). Anscheinend
war in dieser Zeit das Kastorstift, außerhalb der Mauern, durch die
Normanneneinfälle noch geschwächt. Auch Trier litt lange unter den Folgen der
Normannen. Adel und Kirche verflochten sich damals und nur deren verschiedene Ämter
erzeugten noch Interessenunterschiede. Beide Kollegiatstifte wurden für das
Trierer Land im Unterstift des aufkommenden Kurstaates maßgebend.
In der Schenkungsurkunde wird die Abtei
besonders hervorgehoben. Dabei scheint es sich, um das Königsland zum
Unterhalt des Klosters gehandelt zu haben. Das Land ging in den
erzbischöflichen Besitz über und wurde danach vom Kastorstift verwaltet. Für
die eben erst selbstständig gewordene Klosterabtei konnte dies kaum
befriedigend gewesen sein und der Streit um das vom Kloster als Eigentum
behandelte Land, sollte langwierige Auseinandersetzungen mit sich bringen.
Im folgenden 11. und 12. Jahrhundert wurden viele
Benediktinerabteien reformbedürftig, immer neue Privilegien in den
eigenständigen Abteien ließen das Ordensleben oft verweltlichen. Der Trierer Eb.
Albero von Montreuil (1131-1152) förderte deshalb besonders die Reformorden der Augustiner und
Zisterzienser. Bestehende Gemeinschaften wie das ehemalige Damenstift auf dem Oberwerth
wurden von ihm auf den Weg der Tugend eines echten Ordenslebens geführt.
EB. Albero schlichtete vermutlich auch den Streit
zwischen den Mönchen auf dem Berg und dem Kastorstift um das ehemalige
Königsland, welches das Kloster für sich beanspruchte. Dennoch wurde das
Verhältnis beider Kollegiatstifte zu der Abtei scheinbar immer frostiger. War
es die Überheblichkeit der Benediktiner mit ihrer ahnsehnlichen Kirche hoch
über dem Stadtgebiet und dem Privileg eines Märtyrerberges, oder ertrugen die adeligen
Stiftsherren keine geschichtsträchtige und weithin sichtbare Kirche über
ihren Häuptern ..... ?
Vielleicht war es von beidem etwas ..... !
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